Zutaten und Nährwerte von Spirituosen – kommt die Kennzeichnungspflicht?
Whisky, Gin, Rum und Likör – brauchen wir dafür Zutatenverzeichnis und Nährwerttabelle? Bis auf wenige Ausnahmen finden wir auf allen Lebensmitteln und Getränken eine Zutatenverzeichnis und eine Tabelle mit Nährwerten. Warum finden wir diese Informationen eigentlich nicht auf den Flaschen von alkoholischen Getränken, wie Whisky, Rum und Gin? Dem Thema „Zutaten und Nährwerte von Spirituosen“ ist dieser Beitrag gewidmet. Wir werden sowohl die aktuelle Situation erläutern und auf den Bericht der EU-Kommission über eine mögliche Kennzeichnungspflicht für alkoholische Getränke eingehen. Dazu werden wir zeigen, wie man sich eine Nährwerttabelle auf einer Spirituose vorstellen kann. Zum Schluss möchten wir Sie einladen, uns Ihre Meinung zu dem Thema zu schreiben.
Inhaltsverzeichnis
Spirituosen haben weder Zutatenliste noch Nährwerttabelle
Die rechtliche Situation
Die praktische Situation
Der Bericht der EU Kommission
Wie könnte die Nährwertdeklaration von Spirituosen aussehen?
Welche Nachteile gibt es ohne einheitliche Regelung?
Die nächsten Schritte…
Unsere Meinung
Schreiben Sie uns Ihre Meinung
Quellen
Spirituosen haben weder Zutatenliste noch Nährwerttabelle
Viele Hersteller von Spirituosen machen ein großes Brimborium um die Zusammensetzung und die Herstellung ihrer Getränke. Immer wieder lesen wir besonders im Zusammenhang mit Likören Hinweise auf eine geheime Mischung aus Kräutern, Essenzen und anderen Zutaten, die das Getränk einzigartig machen würden. Nun sind wir dem Zeitalter der Alchemie und Wunder doch schon ein wenig entwachsen. Ein aufgeklärter Zeitgenosse fragt sich früher oder später, warum er nicht wissen soll oder darf, aus welchen Bestandteilen das Getränk besteht, welches er genießen möchte. Und ein ernährungsbewusster Verbraucher muss ohne Nährwerttabelle im Internet recherchieren und sich die fehlenden Daten näherungsweise selbst berechnen.
Das auf Spirituosen weder Zutaten noch Nährwerte ausgewiesen werden müssen, ist allerdings weder Zufall noch Schicksal, sondern das Ergebnis menschlicher Entscheidungen. Um die gegenwärtige Situation zu verstehen, müssen wir aber ein Schritt zurückgehen. Zutatenverzeichnis, Allergene und Nährwerttabelle sind auf Lebensmitteln keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Notwendigkeit die man den meisten Herstellern nicht ganz freiwillig abgetrotzt hat. Die Pflicht zur Angabe einer Zutatenliste besteht in Deutschland seit dem 26.12.1983. Die Pflicht zur Angabe von Allergenen besteht seit dem 13.12.2014 und die Angabe einer Nährwerttabelle ist gar erst seit dem 13.12.2016 verpflichtend. Doch gilt das alles auch für Spirituosen?
https://www.youtube.com/watch?v=GP9WYhSaSC8
Die rechtliche Situation
Inzwischen sind die Pflichten der Lebensmittelunternehmer in der Europäischen Union durch die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 einheitlich geregelt. Diese wird gemeinhin als Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) bezeichnet. In Artikel 9 sind alle Pflichtangaben für Lebensmittel zusammengefasst. Dazu gehören
- Verzeichnis der Zutaten
- die…Zutaten…die Allergien…auslösen
- Mindesthaltbarkeitsdatum oder Verbrauchsdatum
- Nährwertdeklaration
Da auf Spirituosen keine der drei anderen genannten „Pflichtinformationen“ zu finden ist, muss es auch Ausnahmen von der Regel geben. Für das Zutatenverzeichnis und die Nährwerttabelle findet sich diese Ausnahme in Artikel 16 Abs. 4 der LMIV. Dort heißt es:
„Unbeschadet anderer Unionsvorschriften, die ein Zutatenverzeichnis oder eine Nährwertdeklaration vorschreiben, sind die in Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b und l aufgeführten Angaben nicht verpflichtend für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent.“
Um die Ausnahme in Bezug auf das Mindesthaltbarkeitsdatum zu finden, muss man sich gar bis in Anhang X der LMIV bemühen. Dort heißt es:
„Die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums ist vorbehaltlich der Unionsvorschriften, in denen andere Datumsangaben vorgeschrieben sind, nicht erforderlich bei
- Wein, Likörwein, Schaumwein, aromatisiertem Wein und ähnlichen Erzeugnissen…
- Getränken mit einem Alkoholgehalt von 10 oder mehr Volumenprozent;“
Auf die tatsächliche Haltbarkeit von Spirituosen sind wir bereits in einem anderen Blog-Beitrag eingegangen. Für das Zutatenverzeichnis gibt es im Zusammenhang mit alkoholischen Getränken aber noch den erwähnenswerten Artikel 41, in dem es heißt:
„Die Mitgliedstaaten können bis zum Erlass der in Artikel 16 Absatz 4 genannten Unionsvorschriften einzelstaatliche Vorschriften über das Zutatenverzeichnis von Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent beibehalten.“
Also müssen wir noch einmal in Artikel 16 Abs. 4 schauen, welche Unionsvorschriften für das Zutatenverzeichnis von alkoholischen Getränken dort genannt sind. Konkret gibt der Artikel 4 lediglich den Hinweis, dass die EU Kommission bis zum 13.12.2014 einen Bericht vorlegt, ob für alkoholische Getränke eine Verpflichtung zur Angabe eines Zutatenverzeichnisses und einer Nährwertdeklaration erforderlich ist. Dieser gesetzlichen Verpflichtung kam die EU Kommission mit ihrem Bericht vom 13.03.2017 mit mehr als zwei Jahren Verspätung nach.
Erwähnenswert ist noch Artikel 36 LMIV, demnach ein Zutatenverzeichnis und eine Nährwerttabelle freiwillig bereitgestellt werden dürfen. Im Erwägungsgrund 42 der Verordnung werden explizit die Lebensmittelunternehmer alkoholischer Getränke genannt, welche man durch die Beschränkung der Nährwertdeklaration auf bestimmte Bestandteile zur freiwilligen Bereitstellung der Informationen ermuntern möchte. Aus Sicht der EU Kommission kann für Spirituosen die freiwillige Nährwertdeklaration auf die Nennung des Brennwertes beschränkt sein.
Die praktische Situation
Die Diskussion um die Kennzeichnung von Spirituosen mit einem Zutatenverzeichnis ist so alt, wie das Zutatenverzeichnis an und für sich. Spirituosen werden allesamt aus landwirtschaftlichen Produkten wie Getreide, Kartoffeln, Früchten oder Wein hergestellt. Insofern hat die Herstellung von Spirituosen vielerorts eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den landwirtschaftlichen Sektor. Dessen Erhalt und Förderung ist von jeher Ziel und Anspruch regionaler, nationaler und europäischer Politik. Eine Verpflichtung zur Angabe eines Zutatenverzeichnisses stellt für viele Produzenten einen unerwünschten Verwaltungsaufwand dar. Auf der anderen Seite erscheint es auch unverhältnismäßig, einen einfachen Brand aus Früchten, Kartoffeln oder Getreide mit einem Zutatenverzeichnis zu versehen, dessen Informationsgehalt kaum höher wäre als die ohnehin gängige Verkehrsbezeichnung. Das Interesse des Verbrauchers dürfte allerdings berechtigt sein, wenn das fertige Erzeugnis aus mehr Zutaten als Ethylalkohol und Wasser besteht, wie es bei Likören üblich ist.
Praktisch stellt der Verzicht auf ein Zutatenverzeichnis und eine Nährwerttabelle also eine Erleichterung für die Hersteller von Spirituosen im Vergleich zu Herstellern anderer Lebensmittel dar. Diese Erleichterung kommt insbesondere den klein- und mittelständischen Betrieben der Branche zu Gute, die für die Einhaltung möglicher gesetzlicher Vorschriften wesentlich höhere Gestehungskosten je Liter zu tragen hätten, als die internationalen Giganten der Branche. Ob man die notwendigen Laboruntersuchungen für einige hundert Liter in Auftrag geben muss oder für mehrere tausend Hektoliter im eigenen Labor anstellen lässt, macht am Ende einen gewaltigen Unterschied. Und dieser Verwaltungsaufwand wird am Ende die eine oder andere Kleinbrennerei zur Aufgabe drängen.
Trotzdem standen die großen der Branche den kleinen Brennereien in dieser Frage stets bei, denn insgesamt fürchtet man sich vor einem rückläufigen Konsum alkoholischer Getränke, wenn durch diverse Kennzeichnungspflichten die gesundheitlichen Risiken in der Kommunikation mit dem Verbraucher allzu sehr in den Fokus gerückt werden. So blieb es über Jahre hinweg bei der Sonderstellung der Spirituosen. Obwohl die EU Kommission schon seit den 1980er Jahren in regelmäßigen Abständen Vorschläge zur Aushebelung dieser Sonderbehandlung vorlegt, konnte sich diese gegenüber dem Europäischen Rat aus den Regierungschefs der EU Mitglieder und dem Europäischen Parlament bis heute nicht durchsetzen. In den beiden letztgenannten Gremien haben stets die Argumente der Hersteller der Spirituosen und der landwirtschaftliche Vorerzeugnisse mehr Gewicht gehabt, als die von Verbänden vorgetragenen Interessen der Verbraucher.
Der Bericht der EU Kommission
Die Sicht der Verbraucher
Die EU Kommission hat eine Studie in Auftrag gegeben, bei der 2.031 Konsumenten aus acht Mitgliedsstaaten befragt wurden. Die Teilnehmer wurden über den Energiegehalt verschiedener alkoholischer Getränke, wie Bier, Wein und Spirituosen informiert und anschließend gefragt, welche Informationen künftig idealerweise bereitgestellt werden sollten. 49% der Befragten wünschten sich Informationen zum Brennwert alkoholischer Getränke und 16% erklärten, sie würden ihren Alkoholkonsum auf der Grundlage dieser Informationen reduzieren.
In Bezug auf das Zutatenverzeichnis wurde eine Studie der GfK Belgium aus dem Jahr 2014 herangezogen. Demnach wünschen sich mehr als ⅔ aller Teilnehmer für alkoholische Getränke eine Nährwertdeklaration und fast ¾ der Teilnehmer ein Zutatenverzeichnis wie bei anderen Lebensmitteln. Etwa 34% bis 51% der Befragten versuchen zumindest gelegentlich die fehlenden Informationen durch andere Informationsquellen, wie Internetseiten und Kommunikation mit dem Verkäufer, zu beschaffen.
Aus Sicht von Gesundheits- und Verbraucherverbänden haben Konsumenten alkoholischer Getränke das Recht zu wissen, welche Zutaten in den von ihnen konsumierten Getränken enthalten sind. Durch die Bereitstellung der Nährwertinformationen sollte der Verbraucher in die Lage versetzt werden, seine Ernährung besser zu überwachen und sich eine gesunde Lebensweise anzueignen.
Die Sicht der Hersteller und Händler
In der Vergangenheit wurden zusätzliche Kennzeichnungsvorschriften grundsätzlich abgelehnt. Inzwischen ist eine Reihe von Akteuren im Markt tätig, die freiwillig dem Verbraucher zusätzliche Informationen bereitstellen. Exemplarisch werden Initiativen der Brauerei- und Weinwirtschaft sowie der Spirituosenbranche vorgestellt, deren Ziele sich sehr ähnlich sind. Übereinstimmend schlagen die Verbände anstelle der obligatorischen Kennzeichnung auf den Produkten eine freiwillige Kennzeichnung entweder On-Label oder Off-Label vor. So könnten die Informationen über Nährwerte und Zutaten nicht nur am Produkt, sondern auch auf Webseiten der Hersteller oder in den sozialen Medien präsentiert werden. Die EU Kommission nimmt keine Bewertung der freiwilligen Initiativen vor, betont jedoch das Interesse der Verbraucher an einer einheitlichen Darstellung von Nährwerten und Zutaten. Hervorgehoben wir ein multinationales Unternehmen der Branche, welches sich auf freiwilliger Basis verpflichtet hat, das gesamte Angebot an alkoholischen Getränken auf der Verpackung mit Nährwerten je 100ml zu deklarieren.
Wie könnte die Nährwertdeklaration von Spirituosen aussehen?
Bei dem soeben erwähnten multinationalen Unternehmen handelt es sich um den Hersteller Diageo. Diageo gehört zu den größten Herstellern alkoholischer Getränke weltweit und führt unter seinem Dach Marken wie Captain Morgan, Ron Zacapa, Jose Cuervo, Tanqueray, Gordon’s, Lagavulin, Johnnie Walker, Smirnoff und viele andere. Diageo hat bereits 2016 gezeigt, wie sich das Unternehmen eine Nährwertdeklaration vorstellt. Dazu findet sich in der Getränke Zeitung vom 12.10.2016 der Artikel „Diageo prescht bei Kennzeichnung voraus“.
Nährwertkennzeichnung von Diageo, Bild: GetränkeZeitung
Die Nährwertdeklaration beschränkt sich nicht auf die Angabe des Brennwertes, sondern nennt von Fett bis Salz alle für andere Lebensmittel ebenfalls anzugebenden Nährwerte. Die Tatsache, dass die Angaben für Fett, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz durchweg 0g sind, ist dem Produkt geschuldet. Besonders bei Likören dürften die Angaben interessanter sein als bei einem Whisky oder Wodka. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Angaben sich auf 30ml beziehen und nicht auf 100ml, wie es bei anderen Lebensmitteln vorgeschrieben ist (Artikel 32 der LMIV).
Die Lebensmittel-Zeitung titelt am 04.11.2016 dementsprechend: „Alkoholkennzeichnung: Referenzgröße ist der größte Streitpunkt“ (nur für Abonnenten abrufbar). Die Hersteller möchten sich als Bezugsgröße für die Nährwertangabe auf eine Portion (also z.B. 30ml) beschränken. Freiwillig hat jeder Lebensmittelunternehmer das Recht, die Nährwerte pro Portion anzugeben (Artikel 33 LMIV). Allerdings ersetzt diese freiwillige Angabe nicht die Angabe in Bezug auf die Nährwerte für die Referenzmenge von 100ml oder 100g, sondern muss in gleicher Schriftart und Schriftgröße daneben stehen. Die Spirituosenhersteller argumentieren, dass die Angabe der Nährwerte für eine Referenzmenge von 100ml keinen Sinn macht, wenn sich aus ernährungsphysiologischer Sicht ein Verzehr von mehr als bspw. 30ml nicht empfiehlt. Dem Argument muss man allerdings entgegenstellen, dass die direkte Vergleichbarkeit verschiedener Spirituosen durch den Verbraucher erschwert wird, wenn sich die Nährwerte verschiedener Erzeugnisse auf verschiedene Referenzmengen beziehen. Zwar ist die Angabe einer Empfehlung in Bezug auf die Verzehrmenge begrüßenswert, doch bleibt die Menge letztlich dem Verbraucher überlassen und wird in den seltensten Fällen genau der Empfehlung entsprechen.
Nährwerte auf einer Flasche Sirup, Bild: eigene Aufnahme
Bezugnehmend auf Sirup, der sehr gerne für die Zubereitung alkoholischer Getränke verwendet wird, ist festzustellen, dass auch für dieses Additiv die Bezugsgröße für die Nährwertdeklaration 100ml ist, wenngleich niemand 100ml Sirup in einem Getränk oder gar pur verzehren wird. Sofern in Bars, Restaurants oder im Catering die Nährwerte von fertig zubereiteten Cocktails und Longdrinks angegeben werden sollen, erleichtert den Verantwortlichen die Normierung auf eine Referenzmenge von 100ml die Berechnung der Nährwerte der fertigen Zubereitung.
Welche Nachteile gibt es ohne einheitliche Regelung?
Die fehlende EU Regulierung von Zutatenverzeichnis und Nährwerten für Spirituosen haben einige Mitgliedsstaaten dazu veranlasst im Sinne des Verbraucherschutzes und der Gesundheit einzelstaatliche Maßnahmen zu erlassen. So müssen bestimmte alkoholische Getränke in einzelnen EU Staaten ein Zutatenverzeichnis tragen. Andere Staaten sehen Kennzeichnungspflichten für bestimmte Zusatzstoffe vor, wie etwa Farbstoffe. Diese Zusatzstoffe sind wiederrum in Staaten mit einem Zutatenverzeichnis nicht kennzeichnungspflichtig, so dass ein Farbstoff zwar im Produkt enthalten, aber nicht im Zutatenverzeichnis zu nennen ist. Dieser Flickenteppich aus einzelstaatlichen Regelungen sorgt für eine zunehmende Fragmentierung des Binnenmarktes. Alkoholische Getränke sind durch die fortbestehende unterschiedliche Branntweinbesteuerung in der EU ohnehin nicht ohne weiteres über die Grenzen der Einzelstaaten handelbar. Die unterschiedlichen Kennzeichnungspflichten erschweren den Handel zusätzlich.
Daneben sorgen die unterschiedlichen Kennzeichnungspflichten auch beim Verbraucher für Verunsicherung. Die Arbeitnehmer-Freizügigkeit und die Reisegewohnheiten führen Verbraucher immer wieder in verschiedene europäische Länder, in denen diese unterschiedliche alkoholische Getränke kennenlernen. Wenn dem Verbraucher aufgrund einzelstaatlicher Vorschriften in verschiedenen Mitgliedsstaaten dabei gleiche Spirituosen in unterschiedlichen Aufmachungen und mit verschiedenen Angaben in Bezug auf Zutaten und Zusatzstoffen dargeboten werden, dient dies nicht dem Ziel, dem Verbraucher systematisch vergleichbare Informationen über Lebensmittel bereitzustellen.
Die nächsten Schritte…
Die EU Kommission fasst in dem vorgelegten Bericht zusammen, dass es
„keine objektiven Gründe [gibt], die die Abwesenheit von Informationen über die Zutaten und den Nährwert alkoholischer Getränke oder eine differenzierte Behandlung bestimmter alkoholischer Getränke … rechtfertigen könnten.“
In Artikel 19 LMIV sind Lebensmittel (z.B. Milch, Käse, frisches Obst) aufgeführt, die kein Zutatenverzeichnis benötigen und in Anhang V LMIV Lebensmittel (z.B. Salz, Kräuter, Tee), die von der Nährwertdeklaration ausgenommen sind. Anders als bei diesen Lebensmitteln kann man bei alkoholischen Getränken nicht davon ausgehen, dass die Verbraucher die im Herstellungsverfahren von Spirituosen verwendeten Zutaten und die Nährwerte notwendigerweise kennen.
Aufgrund der zunehmenden freiwilligen Initiativen der Branche, setzt die EU Kommission auf eine Weiterentwicklung der Branche dahingehend, dass ein Zutatenverzeichnis und eine Nährwertdeklaration freiwillig bereitgestellt werden. Die EU Kommission erwartet daher von der Branche innerhalb eines Jahres einen Selbstregulierungsvorschlag, der den gesamten Sektor der alkoholischen Getränke (Bier, Wein, Spirituosen) umfasst. Sollte die EU Kommission den Vorschlag zur Selbstregulierung als unzureichend erachten, wird sie weitere Option bis hin zu einer regulatorischen Gesetzgebung prüfen.
Unsere Meinung
Spirituosen sind Lebensmittel wie andere auch. Dem Verbraucher Informationen zu Zutaten oder Nährwerten vorenthalten zu wollen, ist nicht mehr zeitgemäß. Diese Informationen zu dem Produkt Off-Label bereitstellen zu wollen, ist keine Alternative zur Kennzeichnung auf dem Produkt. Die Kennzeichnungspflicht muss aber dort ihre Grenzen haben, wo sie keinen Sinn mehr hat. Viele Spirituosen bestehen nur aus einem Destillat und Wasser, welches zur Reduzierung des Alkoholgehaltes auf Trinkstärke verwendet wird. Ein Zutatenverzeichnis für einen Whisky oder Korn bietet dem Verbraucher keinen Mehrwert. Sollten aber weitere Zutaten hinzukommen, wie es bei Likören oder Aromatisiertem Wodka der Fall ist, besteht ohne Zweifel eine Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher.
Ganz ähnlich sieht es bei der Deklaration der Nährwerte aus. Wenn es wie beim Whisky oder Obstbrand außer dem Brennwert nichts zu deklarieren gibt, was soll dem Verbraucher eine Tabelle mit vielen 0 Werten nützen? Alkoholische Getränke, die Zucker, Kohlenhydrate oder Fette enthalten, sollten hingegen auch diese Nährwerte ausweisen müssen. Und alle Angaben müssen sich selbstverständlich grundsätzlich auf eine Referenzmenge von 100ml beziehen. Jeder Bezug auf eine davon abweichende Portionsmenge ist schon bei anderen Produkten oft genug reine Makulatur und hat nichts mit dem tatsächlichen Verzehr durch den Verbraucher zu tun.
Wichtig ist es, auch bei den Zusatzstoffen eine überzeugende EU-einheitliche Regelung zu finden. Was nützt es dem Verbraucher, wenn ein alkoholisches Getränk ein Zutatenverzeichnis trägt, darin aber bestimmte Zusatzstoffe (wie Farbstoffe, Säureregulatoren, Emulgatoren) gar nicht aufgeführt werden müssen? Auch erschweren die verschiedenen einzelstaatlichen Regulierungen den Handel und beschneiden letztlich die Transparenz gegenüber dem Verbraucher. Die Verpflichtung zur Kennzeichnung von Zusatzsoffen muss auf Zypern und in Spanien identisch sein wie in Deutschland. Nur der Hersteller kann wissen, welche Zusatzstoffe er für die Herstellung verwendet hat. Der Importeur kann nicht wissen, was für Zutaten und Zusatzstoffe verwendet wurden und wenn er das Produkt nicht an Endkunden veräußert, ist es ihm im Zweifel sogar gleichgültig. Mit der gegenwärtigen Regulierung bleiben Transparenz und Information gegenüber dem Verbraucher schon innerhalb der EU buchstäblich auf der Strecke.
Der Sinn einer freiwilligen Selbstverpflichtung erschließt sich in diesem Zusammenhang nicht. Die Vorgaben in Bezug auf Zutatenverzeichnis und Nährwerte sind von anderen Lebensmitteln bekannt und einen sinnvollen Grund Spirituosen anders zu behandeln, können nicht einmal die Hersteller benennen. Einzig die EU Kommission kann jetzt noch einmal die Hände für ein, zwei Jahre in den Schoß legen, während Sie auf einen Vorschlag zur Selbstregulierung aus der Branche wartet. Die Interessen vom multinationalen Branchenprimus bis zur lokalen Hofbrennerei unter den Hut einer Selbstverpflichtung zu bringen, erscheint doch mehr als aussichtslos.
Schreiben Sie uns Ihre Meinung
Brauchen wir ein Zutatenverzeichnis und eine Nährwerttabelle auf Spirituosen? Wird der Alkoholkonsum durch die Angaben zurückgehen? Haben große Konzerne Vorteile bei der Umsetzung gegenüber kleinen Brennereien? Im Bericht der EU Kommission wird immer wieder das Informationsbedürfnis des Verbauchers angeführt. Wie stehen Sie als Verbraucher zu diesem Thema? Muss auf jeder Flasche eine Zutatenliste und eine Nährwerttabelle oder ist eine Off-Label Kennzeichnung auf einer Homepage ausreichend?
Quellen
Referenzgröße ist der größte Streitpunkt, in: Lebensmittel-Zeitung vom 04.11.2016
Diageo prescht bei Kennzeichnung voraus, in: GetränkeZeitung vom 12.10.2016
Vielen Dank für Ihren Besuch
Wir freuen uns, wenn Ihnen der Artikel gefallen hat. Fühlen Sie sich gut und umfassend über die aktuelle Diskussion zum Thema Nährwerte und Zutaten von Spirituosen informiert? Sind wichtige Aspekte in unserem Beitrag zu kurz gekommen oder wurden gar ganz vergessen? Möchten Sie einen ausführlichen Beitrag und Informationen zu einem anderen Thema? Schreiben Sie uns! Wir freuen uns auf Ihren Kommentar.