Rund 2140 Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem finnischen Ort Verla und dem französischen Département Calvados in der Normandie. Auf den ersten Blick eine recht weite Strecke, die vermutlich mit dem Auto nicht unter 35 Stunden zu schaffen ist. Doch wie weit entfernt ist der Begriff Verlados vom Begriff Calvados? Damit beschäftigte sich zum Jahreswechsel 2015/2016 der Europäische Gerichtshof in Luxemburg im Auftrag des finnischen Gerichts für Wirtschaftssachen.
Der Europäische Gerichtshof berät Landesgerichte bei der Urteilsfindung. Dafür muss von einem Gericht aus einem der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine, oder mehrere Fragen, bei dem EuGH eingehen, die anschließend beantwortet werden.
Der Gerichtshof wurde hier vertreten von der Zweiten Kammer und hat sich unter anderem Erklärungen der französischen und der italienischen Regierungen und der Europäischen Kommission eingeholt.
Wie kam es zu dem Prozess?
Das Ersuchen zu diesem Rechtsstreit ging vom Gericht für Wirtschaftssachen aus, als es über einen Prozess entscheiden sollte, der zwischen Viiniverla Oy, einer Gesellschaft finnischen Rechts, und der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für die Bereiche Soziales und Gesundheit in Finnland stattfindet. Letztgenannte Behörde stellte den Antrag die Bezeichnung Verlados mit Wirkung zum 1. Februar 2014 zu verbieten. Es stellt sich die Frage, ob der Begriff Verlados dem Begriff Calvados zu nahe ist, da Calvados eine geschützte geographische Angabe ist, welche nach Artikel 16 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 geschützt ist.
Dos oder Ados, das ist hier die Frage!
Unter anderem sollte in dem Prozess geklärt werden, ob nun die Gleichheit darin besteht, dass die beiden Begriffe auf dieselbe Silbe enden („dos“) oder ob eben die letzten vier Buchstaben und damit die Hälfte der Buchstaben der beiden Begriffe gleich sind („ados“). Auch hier erbat sich das finnische Nationalgericht um Aufklärung.
Ähnlichkeit beim Namen – Gegeben, oder nicht?
Welcher Wortstamm nun tatsächlich gleich ist, fällt aber für den EuGH gar nicht mal stark ins Gewicht. Die Ähnlichkeit wurde durch das Gericht festgestellt, da sowohl die phonetische Aussprache, wie auch Design und Aufmachung an eine Anlehnung an den Calvados erinnern. Beide Produkte sind Brände aus Apfelwein. Und auch wenn der Hersteller argumentierte, dass der Verlados eben aus dem finnischen Ort Verla stammt und auch der Hersteller Viiniverla heißt, stimmte der EuGH letztlich mit der Wettbewerbsbehörde überein.
Regionale Zugehörigkeit innerhalb der EU
Das Gericht erkannte zwar an, dass der Artikel eben hauptsächlich regional verkauft wurde, aber eben auch in den internationalen Handel gelangte. So argumentierten sie, dass zwar der finnische Verbraucher den Ort vielleicht noch kennt, dies aber einem Verbraucher aus anderen EU-Staaten nicht zuzutrauen sei. Deshalb ist die Nähe zum Calvados auch hier schon durch die phonetisch ähnlich klingende Aussprache aus Sicht des Gerichts gegeben.
Kritik
Geographische Angaben zu schützen, ist denke ich ein wichtiger Bestandteil der Arbeit solcher Gerichte. Darauf zu achten, dass ein Grappa immer auch aus Italien ist und alle Anforderungen erfüllt ist wichtig, um den Wettbewerb ausgeglichen zu gestalten. Auch den Begriff Calvados zu schützen hat sicher seine Richtigkeit. Ob dafür allerdings gegen ein Unternehmen vorgegangen werden muss, welches nach offiziellen Angaben nur ein paar hundert Liter pro Jahr im gutseigenen Restaurant verkauft und im beschränkten Umfang auf Bestellung geliefert wird, kann in Frage gestellt werden. Die Notwendigkeit einer Beschäftigung des EuGH, vertreten durch vier Richter, einen Kammerpräsidenten und einem Generalanwalt, sowie einem Kanzler und zusätzlich acht Vertretern verschiedener Regierungen, erschließt sich mir nur teilweise.